Christian und Marvin mit anderen Verrückten in Finnland

Schlechte Quali, weil Screenshot aus dem Live-Stream, aber für das Motiv lohnt es sich allemal (Bildbeschriftung von Flo, also keine Selbstbeweihräucherung)

Seit 2014 haben wir uns regelmäßig im Zehnkampf verausgabt. Auf der Suche nach neuen Herausforderungen sind wir auf den Icosathlon gestoßen. Karsten hatte uns einmal davon erzählt und dann ist Marvin durch einen Ulmer Leichtathleten an weitere Informationen gekommen. Hierbei handelt es sich um einen 20-Kampf, der alle leichtathletischen Disziplinen (s. unten) im Stadion abdeckt, die olympisch sind oder mal waren.

Etwas unüberlegt und ohne uns im vollen Bewusstsein über die Herausforderung zu sein, haben wir uns einfach angemeldet, obwohl eigentlich fast nur Laufdisziplinen hinzukommen. Und natürlich nicht bei irgendeinem Icosathlon, sondern bei den „World Championships“ in der finnischen Hauptstadt Helsinki. In dem Stadion dort wurden schon mehrere Weltrekorde aufgestellt – unter anderem auch im Zehnkampf.

Am Donnerstag sind wir mit vier Koffern und zwei Rucksäcken für vier Tage nach Helsinki geflogen (ein Koffer war alleine durch die Schuhe schon fast voll) und haben am Abend eine erste kleine Sightseeingtour auf den an jeder Ecke vorzufindenden E-Scootern absolviert. Dies haben wir Freitag fortgeführt – natürlich immer unterbrochen von Pausen für Pizza und Eis! Am Freitagabend fand dann auch die Flaggenzeremonie statt, bei der man schonmal andere Verrückte kennenlernen konnte.

Nachdem uns eine Liste der utopischen Weltrekordleistungen vorgelegt wurde, plädierten wir für die Einführung einer neuen Wertungsklasse: Neben Senioren und Jugendlichen soll es in Zukunft auch eine Klasse für Dicke geben! Dann hätten wir vielleicht auch mal eine Chance 🙂

Danach wurde uns langsam bewusst, welch verrücktes Vorhaben uns bevorsteht, was zu einem nicht enden wollenden Lachanfall von Marvin führte und mehrmals mit „Oh Mann!“ von Christian quittiert wurde.

Für Samstag und Sonntag waren dann die beiden Wettkampftage angesetzt. Über den eingerichteten Live-Stream haben einige Daheimgebliebene eifrig mitgefiebert 😉 Vielen Dank an Dennis, Flo und Christian und alle anderen, die uns während der ganzen Zeit mit motivierenden Zusprüchen unterstützt haben!

Das Wetter meinte es den gesamten Aufenthalt über sehr gut mit uns.

Am Samstag kamen wir mit 100m und Weit gut in den Wettkampf rein – Marvin sogar deutlich besser als bei den diesjährigen LM Zehnkampf in Papenburg. Danach folgte die erste von drei neuen Disziplinen: 200m Hürden. Wegen der niedrigeren Hürdenhöhe hatten wir uns hierauf gefreut, allerdings hat es weniger Spaß gemacht als erhofft. Daraufhin kam das Kugelstoßen. Schon beim Einstoßen wurde bemerkt: Die Deutschen können werfen. So waren wir beide klar die Besten in dieser Disziplin und wer kann das bei einer Weltmeisterschaft über sich behaupten 🙂 Christian stieß starke 11.68m, knapp unter Bestleistung, was mit viel Applaus honoriert wurde. Marvin, als Exot mit der Drehstoßtechnik, steigerte seine Bestleistung in dieser Technik um 60cm und erreichte 11.30m, was mehrmals zu einem „Wow!“ seitens der Kampfrichter führte. Marvins holländischer Konkurrent, der 3m weniger stieß, merkte daraufhin an, dass dies am Ende ein spannender Kampf werden könnte. So stachelten wir uns gegenseitig in den darauffolgenden Disziplinen an.

Die 5000m als fünfte Disziplin wollten wir etwas langsamer angehen, um Kräfte für die anschließenden 15! Disziplinen zu sparen. Die Zeiten waren trotzdem ziemlich gut: Christian lief „entspannte“ 23:02 und Marvin lief durch einen schnellen Endspurt nach Blick auf die Uhr und den zu Überrundenden vor ihm 21:59, was auch knapp eine Minute schneller als der Holländer war. Nach einer kurzen Mittagspause fing der zweite Teil des ersten Tages mit 800m an. Hier merkte man die 5000m schon ein wenig in den Beinen. Beim Hochsprung wie auch beim Stabhochsprung hatte jeder Athlet nur sechs Versuche, um den Zeitplan etwas zu entspannen. Dies bereitete eigentlich keine Probleme. Marvin erreichte sehr gute 1.60m und Christian trotz leichten Schmerzen im Sprunggelenk 1.42m. Bei den darauffolgenden 400m war richtig schnell laufen nicht mehr möglich. Als neunte Disziplin des Tages kam noch Hammerwurf dran. Dies fühlte sich an wie Erholung. Den Abschluss des Tages machte die zweite neue Disziplin: 3000m Hindernis. Vorfreude und gleichzeitiger Respekt vor den Hindernissen beherrschten die Gefühlslage. Marvin war im ersten Lauf und ging rasch an. Den ersten Kilometer bestreitete er als Führender. Danach musste er etwas Federn lassen, aber kam nach 13:39 ins Ziel, was Platz 10 in der NLV-Bestenliste bedeutet 🙂 Der erste Sprung in den Wassergraben war besonders überraschend. Wasser im Gesicht und quasi vollständiges Abbremsen waren die Folge. Bei den nächsten Malen lief das besser: Ein Fuß ins Wasser und mit dem Nächsten gleich wieder auf die Bahn. Christian lief ebenfalls ein super Rennen in 14:44 (Platz 16 in Niedersachsen), auch wenn er zum Schutze seines Sprunggelenks nicht direkt über die Hindernisse, sondern zuerst drauf sprang. Das hat uns beiden super viel Spaß gemacht und schreit nach einer Wiederholung 🙂 Damit waren auch die ersten zehn Disziplinen und der erste Tag überraschend locker überstanden. Christian erreichte 2824 Punkte (11. Platz). Marvin lag mit 4013 Punkten auf Rang vier und nur rund 500P hinter dem Erstplatzierten. Zwischenzeitlich wurden wir vom neuen Weltmeister der M35 aus Großbritannien gelobt, dass wir für Werfer unglaublich gut laufen können 🙂

Am nächsten Tag waren wir um kurz nach 9 wieder auf dem Sportplatz. 110m Hürden gingen wir schonend an und ernteten damit den meisten Applaus 😀 Bei Diskus zeichnete sich ein ähnliches Bild ab wie bei Kugel: Christian war mit 34.21m der Beste des gesamten Feldes und Marvin zweitbester mit für ihn sehr guten 33.65m (300 Punkte mehr als der Holländer). Das Aufwärmen für 200m fiel nochmal schwer, aber auch das wurde gesund überstanden. Bei Stab erreichte Marvin leider drei Ungültige. Ein zu weicher Stab, falscher Abstand und das Verfehlen des Einstichkastens führten trotz ausreichender Höhe zum Reißen der Latte. Christian war mit 2.30m sehr zufrieden.

3000m vor der Mittagspause wurden locker angegangen, wodurch Christian auf knapp über 13min und Marvin auf 13:37 (nur 2s schneller als 3000m Hindernis) kam. Bei 400m Hürden wollten wir uns wieder schonen. Marvin kam immerhin noch auf 115 Punkte. Danach wurden bei Speer Punkte gesammelt. Bei 1500m kamen wir beide in verschiedenen Läufen auf die gleiche Zeit von 5:48. Die dritte unbekannte Disziplin stand mit dem Dreisprung an. Ungewiss, wie die Belastung für die Gelenke aussehen würde und ohne Anlauf erreichten wir trotzdem überraschend gute Ergebnisse. Christian sprang 7.83m und Marvin 10.51m. Auch dies bereitete vor allem Marvin sehr viel Freude und wird wohl nochmal wiederholt. Als letzte Disziplin des 20-Kampfes standen 10km auf dem Plan. Nach deutlicher Verzögerungen im Zeitplan startete der Lauf erst nach 21:30. Zu diesem Zeitpunkt dieses verrückten Mehrkampfes war nur noch Ankommen als Ziel ausgegeben, da die Regeln besagen, dass jede Laufdisziplin erfolgreich absolviert werden muss, um am Ende eine Wertung zu erreichen. Christian lief ein beherztes Rennen mit einer 5km-Durchgangszeit von unter 23min und damit schneller als am Vortag. Auf den letzten Kilometern kam er seinen Grenzen sehr nah und griff sogar am Wasserstand ins Leere. Er kämpfte sich dennoch nach 49:04 tapfer ins Ziel. Marvin genoss das Rennen sichtlich und grüßte jede Runde ebenso wie Christian die Zuschauer im Live-Stream und lief konstante 2min-Runden. Durch schnelle letzte 800m konnte er sich nach 49:40 ebenfalls über eine Zeit unter 50min freuen. Damit haben wir es tatsächlich geschafft. Jetzt können wir uns nicht mehr bewegen, aber sind überglücklich und haben das Stadion um halb 1 nachts verlassen (Danach mussten wir nur noch 2km zu Fuß mit Koffer und Sporttasche zu unserer Unterkunft gehen). Christian kämpfte sich noch in die Top 10 mit 5128 Punkten. Marvin erreichte mit 6504 Punkten den 4. Platz hinter seinem holländischen Konkurrenten.

Folgende Einzelleistungen wurden erzielt:

Christian:

100m 14.00s
Weit 4.22m
200m Hürden 35.66s
Kugel 11.68m
5000m 23:02.11
800m 2:39.71
Hoch 1.42m
400m 69.60s
Hammer 22.16m
3000m Hindernis 14:44.39

110m Hürden 44.87s
Diskus 34.21m
200m 30.23s
Stabhoch 2.30m
3000m 13:00.90
400m Hürden 103.86s
Speer 34.30m
1500m 5:48.12
Dreisprung 7.83m
10000m 49:04.47

Marvin:

100m 12.68s
Weit 5.29m
200m Hürden 30.68s
Kugel 11.30m
5000m 21:59.53
800 2:32.86
Hoch 1.60m
400m 62.39s
Hammer 21.89m
3000m Hindernis 13:40.01

110m Hürden 44.87s
Diskus 33.65m
200m 27.84s
Stabhoch 0
3000m 13:37.58
400m Hürden 79.22s
Speer 33.52m
1500m 5:48.77
Dreisprung 10.51m
10000m 49:40.55

Insgesamt waren wir an zwei Tagen über 30 Stunden auf dem Sportplatz, haben mit Einlaufen und Co knapp 50km zurückgelegt, haben dabei aber unbeschreibliche Erfahrungen gesammelt. Immer wieder bis an seine Grenzen gehen, das Brennen in den Beinen, aber vor allem das Glücksgefühl nach dem abschließenden 10km-Lauf: All das ist unvergleichlich und wir sind froh, dies erlebt zu haben.

Montag verabschiedeten wir uns noch bei unserer Lieblingspizzeria und flogen wieder heim.
Wer glaubt, der Icosathlon sei so nicht zu steigern, der irrt. Es gibt noch die Ein-Tages-Variante und den Doppel-Icosathlon, also zwei Ein-Tages-Icosathlons hintereinander. Ob und wann wir uns hieran versuchen, bleibt offen. Den normalen Icosathlon werden wir jedoch bestimmt nochmal wiederholen!
Aber für März ist erstmal die Hallenvariante als 14-Kampf (Tetradecathlon) in Frankreich vorgesehen.

Fotos und Videos: Christian und Marvin.

Und hier noch ein bisschen Bewegtbild (erstes 0,5mb, zweites 2mb und drittes 4mb):

 

 

5 Kommentare zu „Christian und Marvin mit anderen Verrückten in Finnland“

  1. Karsten

    Eure Werfer-machen-Mehrkampf-Karriere verfolge ich nun schon einige Jahre. Und diese Selbstbeschreibung stimmt ja gar nicht: Ihr seid echte Mehrkämpfer, denn Ihr könnt alles ein bisschen und manches richtig gut (und „Mehrkampf ist Verwaltung des Mangels“ 😉
    Aber diese Aktion ist nochmal eine neue Stufe – sehr, sehr geil 😀

    Karsten

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